Beispiel: Naturpärke

Was ist ein Naturpark?

Um die Kooperation zwischen regionalen Naturpärken und Kirchen verstehen zu können, muss man zuerst mal die Pärke verstehen (die Kirchen kennen wir ja ganz gut). Wir kennen alle den Schweizerischen Nationalpark, das bestgeschützte Naturreservat der Schweiz. Ist ein Naturpark der kleine Bruder des Nationalparkes?

Der Bund definiert einen regionalen Naturpark folgendermassen:

Regionale Naturpärke sind teilweise besiedelte, ländliche Gebiete, die sich durch hohe Natur- und Landschaftswerte auszeichnen. Sie fördern eine nachhaltige Entwicklung der regionalen Wirtschaft.

Regionale Naturpärke sind also in erster Linie der Nachhaltigkeit verpflichtete regionale Entwicklungsprojekte. Nicht eine Käseglocke soll die einzigartigen Landschaften der Naturpärke schützen, eine den Menschen über Generationen hinweg dienliche Entwicklung soll zielgerichtet gefördert werden. Diese Entwicklung soll immer die soziale, die ökonomische und die ökologische Dimension gleichermassen einschliessen.

Naturpärke sind also schon verwandt mit den Nationalpärken. Aber es sind ziemlich entfernte Verwandtschaften.

Am Anfang stand auch die Kirche

In der Entstehungsgeschichte der Pärke spielt die Kirche eine wichtige Rolle, zumindest im Naturpark Gantrisch. Bereits 1998 trafen sich hier kirchlich Engagierte in der Arbeitsgruppe Kirche und Landwirtschaft und suchten nach Möglichkeiten, die Region Gantrisch aufzuwerten. Mit Sternmärschen, Gottesdiensten zu Themen der regionalen Entwicklung und mit kulturellem Engagement im Klostersommer Rüeggisberg brachten die Kirchen das Thema der regionalen Entwicklung im Gebiet Gantrisch ins Gespräch. 

Im Jahr 2003 führte das zu konkreten Überlegungen des damaligen Geschäftsführers der Region Gantrisch für ein Regio-Plus-Projekt, einem Vorläuferprojekt des heutigen Parks.

Zehn Jahre nach dem ersten kirchlichen Engagement, also im Jahr 2008 begann dann die Errichtungsphase des Parks, im 2011 erhielt der Park schlussendlich das Label als regionaler Naturpark.

Kirchliches Engagement

An Tagungen, bei Gesprächen mit Freunden, bei ersten Gesprächen in Kirchgemeinden immer das gleiche Bild: Wenn ich über die Zusammenarbeit zwischen Naturpärken und Kirchen berichte, begegnet mir vor allem eines: Staunen. Laien und Fachpersonen, Räte und Pfarrpersonensind aber nach einer kurzen Erklärung gleichermassen überrascht, wie logisch diese Zusammenarbeit eigentlich ist.

Karin Remund, Leiterin des naturpädagogischen Programms im Naturpark Gantrisch bringt es in einem Interview mit der reformierten Presse auf den Punkt: "Naturpark und Kirche haben hundertprozentige Übereinstimmung in einem wesentlichen Punkt: der Bewahrung der Schöpfung. Die Aufgabe des Naturparks ist es, alle Bewohner zu integrieren und eine lernende Region zu werden. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, mit der Kirche zusammenzuarbeiten." 

Und der Synodalrat begründet in seinem Standpunkt von 2009 die Zusammenarbeit zwischen Kirchgemeinden und den Pärken darüber hinaus mit dem gemeinsamen Interesse für das kulturhistorische Erbe und dem Hoffnung stiftenden Auftrag der Reformierten Kirchen.

Ebenen der Zusammenarbeit

So weit so gut. Theoretisch nachvollziehbar. Da können zwei Institutionen voneinander profitieren. Aber wie geht das praktisch vor sich? Was macht man zusammen - und wer macht da was zusammen? Und wie so oft: Bei der Umsetzung wird es schwieriger.

Besonders deutlich macht das die Aussage von Karin Zehnder, Kirchgemeindepräsidentin von Riggisberg, also einer Gemeinde mitten im Naturpark Gantrisch: "Wir als Kirchgemeinde sind erfreut und fühlen uns geehrt, wenn der Park uns anfragt und zu einer Zusammenarbeit einlädt. Alle Mitarbeiter/innen, ob freiwillig oder angestellt, finden das toll. Schliesslich sprechen wir ja genau die gleichen Menschen an: 90 % der Einwohner/innen sind reformiert. Wenn es dann aber ums konkrete Angebot geht, also der Frage, was wir gemeinsam mit dem Park auf die Beine stellen wollen, dann wird es ruhiger in der Runde. Man fühlt sich zu wenig direkt angesprochen. Die Tagesgeschäfte und das strategische Denken innerhalb der eigenen Kirchgemeinde und kleinräumigeren regionalen Zusammenarbeit stehen im Vordergrund. Die Kapazität scheint nicht auszureichen, um darüber hinaus noch Ideen zu entwickeln."

Und so stellt sich die Frage, wer denn der richtige Partner des Parks überhaupt ist. Da kommt der kirchliche Bezirk ins Spiel. Im Beispiel Gantrisch sind das momentan der Bezirk Seftigen und der Bezirk Schwarzenburg (in Zukunft wollen die beiden Bezirke als Kommission "Gantrisch" im neuen Bezirk Mittelland Süd aktiv sein). Diese beiden Bezirke sprangen in die Lücke und boten sich dem Park als Gegenüber an. Zusammen mit der Kantonalkirche und den Pärken luden sie zu den Konferenzen ein , in denen dann die konkreten Projekte gemeinsam entwickelt wurden.

Genauso wichtig wie die neuen Projekte sind gemäss Elvira Weber, Vertreterin der Pfortengemeinde Belp im Bezirksvorstand Seftigen, aber die Verknüpfung schon bestehender Angebote: Der Berggottesdienst gehört ins Angebot des Parks, die Pilgertage desgleichen. Das Bezriksfest genauso wie der Sternmarsch nach Rüeggisberg. Dafür kann in den Kirchgemeinden für die Angebote des Parks Werbung gemacht werden - und das weit über die Grenzen des Bezirkes hinaus. Schliesslich sind die Bewohner des Parkgebietes nicht die angestrebten Kunden des Parkes.

Das Engagement des Bezirkes ist wichtig. So hat der Park zwei Ansprechpartner statt 15 und die Kirchgemeinden müssen sich nicht andauernd mit den Anfragen beschäftigen. Es gibt da eine steuernde Instanz.

Beispiele der Zusammenarbeit

Und was ist konkret entstanden? Kleine Beispiele. Nichts Riesiges, nichts Weltbewegendes. Aber schillernde wachsende Zeichen für das Bestreben, gemeinsam für den gemeinsamen Raum, die Heimat, nach dem Besten zu streben:

zum Beispiel: 72 Stunden - Cevi, Kirchgemeinde und Park ziehen im Diemtigtal an einem Strick
Der Cevi Diemtigen plante schon seit längerem eine Teilnahme am 72 Stunden-Projekt der SAJV (Schweiz. Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände). Was lag näher, als diesen Anlass zum Vorteil aller Beteiligten mit dem Park zu vernetzen? Einen Bericht über die positive Zusammenarbeit zwischen Park, Kirchgemeinde und Cevi Diemtigen finden Sie hier.

zum Beispiel: Vision Gantrisch-Kirche im grösseren Bezirk
Seit der Konferenz der Kirchgemeinden in den Naturpärken planen die kirchlichen Bezirke Seftigen und Schwarzenburg ihre Zukunft vermehrt gemeinsam. Diese könnte beispielsweise in einer regionalen Arbeitsgruppe "Gantrisch" innerhalb des grossen Bezirkes Mittelland-Süd liegen. Die Bezirke wollen möglichst viele ihrer gemeinsamen Anlässe mit dem regionalen Naturpark Gantrisch vernetzen und so einen Beitrag zur regionalen Entwicklung im Gebiet des Parkes leisten. 

zum Beispiel: Regionaler Naturpark Gantrisch unterstützt KUW-Lagerangebote
Als direkte Folge der Konferenz im März 2010 bietet der Naturpark Gantrisch Angebote für KUW- Lager an. Er hat sich bei der Erarbeitung von erfahrenen Katechetinnen und dem Projekt "Kirche und regionale Entwicklung" beraten lassen. Siehe Link: www.gantrisch.ch/waldarena/lagerangebot.

zum Beispiel: Kirchenführer
In Zusammenarbeit mit dem Park Gantrisch erarbeiten die kirchlichen Bezirke Schwarzenburg und Seftigen zusammen mit den katholischen Partnern einen Wander- und Kirchenführer in der "kirchlichen Landschaft Gantrisch". Da macht sogar die serbisch-orthodoxe Kirche aus Belp mit!

zum Beispiel: Ökologie
Der Naturpark Chasseral, die Oeku-Kirche und Umwelt und die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn organisieren gemeinsam einen Informationsabend zum Thema energieeffiziente Kirchenräume. Das machen sie gemeinsam, weil ihnen allen der Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung und die nachhaltige regionale Entwicklung am Herzen liegt.

Blick in die Zukunft

Und wo könnte die Reise hingehen bei dieser überraschend einleuchtenden Zusammenarbeit?

Für Elvira Weber könnte die noch intensivere Verknüpfung von Bestehendem mit dem Park die Zukunft sein: Der Schneeschuhtouren anbietende Pfarrer könnte spirituelle Wege im Park anbieten, Erwachsenenbildungs- und Kulturangebote interessant für weite Kreise sein. Und dann sieht sie viel Potential in der Stadt und in den Agglomerationsgemeinden, wie Belp eine ist. Hier liegt das zukünftige Potential der Nutzer/innen, das auch von den kirchlichen Angeboten im und mit dem Park angesprochen werden muss.

Der Blick aus Riggisberg geht in eine ähnliche Richtung. Karin Zehnder denkt, dass auch in Zukunft der Ball beim Bezirk oder einer Kommission liegen muss. 2-jährliche Konferenzen sollen dann zusammen mit den Kirchgemeinden Leuchtturmprojekte erarbeiten, die die alltägliche Zusammenarbeit zwischen Park und Kirche ergänzen. Eine Zusammenarbeit, die vor Ort gelingen, aber die Region und die Stadt im Blick haben muss. So können Zeichen gesetzt werden für die Menschen in der Region. Hoffnungsstiftende Zeichen  für eine Zukunft im Gantrischgebiet!

Als Leuchtturmprojekte sind in unterschiedlichsten Zusammenhängen Themen wie Beziehungsweg, Hochzeitskirchen, regionale Produkte in regionalen Kirchgemeinden, Energieautarkie in der Kirchgemeinde genannt worden.

Ideen gibt es also viele. Genug für ein weiteres Jahrzehnt Zusammenarbeit zwischen Kirche und Naturpärken.

Ralph Marthaler

KUW Lager im Naturpark Gantrisch
KUW Lager im Naturpark Gantrisch
KUW Lager im Naturpark Gantrisch
KUW Lager im Naturpark Gantrisch
72 Stunden im Naturpark Diemtigtal
72 Stunden im Naturpark Diemtigtal