Brücken statt Gräben

Für einmal war es um die "Stillen im Land" recht laut. Im Täuferjahr 2007 fanden im ganzen Kanton unzählige Veranstaltungen statt. Höhepunkt aus Sicht der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn war eine Geste der Versöhnung zwischen ihr und den Täufern.

2007 war ein wichtiges Jahr in der Beziehung zwischen der Berner Landeskirche und der Gemeinschaft der Täufer. An unterschiedlichsten Veranstaltungen, in den Medien, mit Täuferwegen, Gedenktafeln und Büchern wurde die Geschichte der beiden ungleichen Geschwister aufgearbeitet. Und schliesslich, am 18. Februar 2008, unterzeichneten beide Seiten eine Vereinbarung zur Versöhnung. Damit zogen sie einen Schlussstrich unter eine bald 500-jährige Geschichte, die lange geprägt war von Schuld, gegenseitigen Vorurteilen und Ablehnung.

Angefangen hatte der Prozess der Versöhnung bereits 1983 mit ersten bilateralen Gesprächen. Auf eine Frage des Synodalen Hans Ulrich Schmocker in der Wintersynode 2003 betonte der damalige Synodalratspräsident Samuel Lutz, dass Versöhnung nicht bedeute, in der Vergangenheit zu wühlen und über sie zu richten, sondern miteinander ins Gespräch zu kommen und für die Zukunft zu lernen. Nicht Gräben sollten aufgerissen, sondern Brücken gebaut werden. Die Debatte stiess einen Prozess an, der schliesslich ins Täuferjahr mündete.

Grosses Engagement von allen Seiten

So fanden 2007 im gesamten Kanton Bern (mit Schwerpunkt im Emmental) Informations-, Begegnungs- und Themenveranstaltungen rund um das Verhältnis von Landeskirche und den "Stillen im Land" in der Vergangenheit und der Gegenwart statt. Von Anfang an engagierten sich die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn an der Organisation des Täuferjahres. Der heutige Synodalratspräsident und damalige Departementsvorsteher Theologie, Andreas Zeller, förderte das Projekt nach Kräften. Ihm ist es zu verdanken, dass sich die reformierte Kirche auch finanziell stark beteiligten. Sie subventionierte das Buch zum Täuferjahr "Die Wahrheit ist untödlich" und verschiedene andere Teilprojekte und Veranstaltungen, und sie lud die Nachkommen der einst in die USA emigrierten Täufer in ihre Ur-Heimat ein.

Zentral war die Rolle von Silvia Liniger-Häni, damals Sachbearbeiterin Theologie. Dank ihrer täuferischen Wurzeln und ihrer diplomatischen Art konnte sie Türen öffnen und Misstrauen abbauen. Regula Zähner vom Bereich Gemeindedienste und Bildung trug mit ihrer beratenden Funktion ebenfalls viel dazu bei, dass sowohl die Veranstaltungen im Täuferjahr als auch die Annäherung der beiden ungleichen Gemeinschaften gelang.

Schliesslich sollen auch die beiden "geistigen Väter" des Täuferjahres erwähnt werden: Fritz von Gunten, Leiter der Kulturmühle Lützelflüh und des Büros für Öffentlichkeitsarbeit, amtete als Präsident des Koordinationskomitees. Peter Pfister, Chef der Maeder AG in Zollbrück, war Projektkoordinator. Die beiden hatten schon 2004 das Gotthelf-Jahr initiiert und koordiniert; mit dem Täuferjahr gelang es ihnen ein weiteres Mal, ein wichtiges Stück Berner Kirchengeschichte in der Öffentlichkeit präsent zu machen.

Erinnerungen an schlimme Zeiten

Das Täuferjahr begann im März mit einer Eröffnungsfeier, gipfelte in den Internationalen Tagen im Juli und wurde von zwei Wanderausstellungen begleitet. Schon davor, im Wintersemester 2006/2007, fand an der Theologischen Fakultät Bern eine Ringvorlesung zur Geschichte und dem Wesen der Täufer statt, deren Inhalte schliesslich ins Buch "Die Wahrheit ist untödlich" aufgenommen wurden. Daneben gab es eine Vielzahl von grösseren und kleineren Veranstaltungen: Vorträge, Konzerte, Ausstellungen, Gottesdienste, Theater, Führungen und Exkursionen sollten der Bevölkerung die Schrecken der damaligen Zeit, vor allem aber auch das heutige Leben der Täufer nahebringen. Filme und Romane vertieften das Gehörte und Gesehene. Auch die Bettagswanderung der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn führte zu einem einstigen Täuferversteck. All dies zeigte vielen Menschen, wie zum Beginn der Neuzeit mit Andersdenkenden und Andersglaubenden umgegangen wurde – und vergegenwärtigte auch die Rolle der damaligen Staatskirche.

Versöhnung als Höhepunkt

Einer der Höhepunkte aus der Sicht der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn waren die Versöhnungsgespräche zwischen ihren Vertreterinnen und Vertretern, und denen der Täufergemeinden. Auch hier ging es darum, das Gemeinsame herauszustreichen. Denn beide Glaubensgemeinschaften wurzeln in der Reformation, beide berufen sich auf die reformatorischen Eckpfeiler: Allein die Schrift, allein Christus, allein die Gnade, allein durch Glauben.

Gleichzeitig sollten Unterschiede aber nicht unter den Tisch gewischt werden. Im Verständnis der Gemeinde, der Taufe und der Beziehung zum Staat liegen die Positionen deutlich auseinander. Ohne einem oberflächlichen Harmoniestreben zu verfallen, verpflichteten sich beide Seiten, die jeweils andere weder zu verurteilen noch abzuwerten, sondern zu anerkennen, dass alles menschliche Erkennen Stückwerk ist. Die Reformierten und die Täufer sagten sich gegenseitig zu, voneinander lernen und füreinander beten zu wollen.

In der Vereinbarung, welche die beiden Seiten im Februar 2008 feierlich unterzeichneten, wurden eine Reihe von Vereinbarungen zur gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung getroffen. Unter anderem verpflichteten sich die beiden Parteien zur gegenseitigen Gastfreundschaft und zum Gebet füreinander. (Siehe Schlussbericht Täuferjahr mit gemeinsamer Erklärung)

Ökumene weiter verstehen

Vom Täuferjahr 2007 bleibt nicht nur eine versöhnte Beziehung zu den Täufern zurück, sondern überhaupt ein besseres Verständnis für die Vielfalt innerhalb der evangelischen Kirchen. Geistliche wie Laien spürten, dass Ökumene nicht nur zwischen den Landeskirchen spielt, sondern oft auch zwischen diesen und den Freikirchen vor Ort. Man müsse miteinander reden statt übereinander, sagte alt Synodalratspräsident Samuel Lutz. Das Täuferjahr hat Türen aufgestossen, die auch in Zukunft offen stehen werden.

Thomas Uhland

 

Verfolgt und hingerichtet

tul. Es war vorerst nur eine Handvoll Menschen, die mitten in den Umbrüchen der Zürcher Reformation mehr wollten: mehr Glauben, mehr Klarheit, mehr Entscheidung. Vom Reformator Huldrych Zwingli forderten sie, dass er allein jene Seelen taufen soll, welche einen persönlichen Glauben hätten und dies auch bezeugten. Die Kindertaufe wäre damit unmöglich geworden. Zwingli lehnte das Anliegen zwar nicht grundsätzlich ab, es kam für ihn aber zu früh. 1525 taufte deshalb Felix Manz in Zollikon in eigener Regie eine Reihe weiterer Gläubiger. Der Stadtregierung konnte das aufmüpfige Verhalten nicht egal sein. Es kam zu wiederholten Verhaftungen, und schliesslich wurde Manz zusammen mit einem Mitstreiter in der Limmat ertränkt, worauf seit 2004 eine Gedenktafel hinweist.

Die Hinrichtung war der Auftakt zu massiven Verfolgungen der Täufer. Dennoch breitete sich der neue Glaube unaufhaltsam über ganz Europa aus. Besonders bei der Landbevölkerung stiess er auf viel Zuspruch. So war auch das Emmental ein Zentrum des Täufertums. Doch mit  der Berner Reformation 1532 war auch ihr Friede zu Ende. In den Verhandlungen zum Berner Synodus war die Kindertaufe klar festgelegt (Kap. 20), Abweichlern drohte damit die Verfolgung. Denn für die Einsicht, dass auf dem Staatsgebiet verschiedene Glaubensauffassungen nebeneinander existieren könnten, war die Zeit noch lange nicht reif.

40 Täufer wurden zwischen 1525 und 1571 auf bernischem Staatsgebiet hingerichtet, viel mehr aber starben im Kerker, auf der Flucht oder auf den Galeeren. Unzählige wurden von Haus und Hof vertrieben. Sie flüchteten in den Jura, wo ihnen der Fürstbischof von Basel den Aufenthalt erlaubte, oder ins Ausland, oft nach Amerika. Die Pfarrer hatten dabei die Rolle des verlängerten Arms der Herren in Bern: Sie hatten die beschlossenen Massnahmen vor Ort bekannt zu machen und Verdächtige zu denunzieren. Erst im 19. Jahrhundert erhielten die Täufer auch im Kanton Bern das Recht, ihren Glauben unbehelligt zu leben.

Die Täufer – die anderen Evangelischen

tul. Die Täufer stehen, ebenso wie die Reformierten, auf dem Boden der Reformation des 16. Jahrhunderts und gelten damit als älteste Freikirche. Sie kamen jedoch bei der Bibellektüre schon sehr bald zu anderen Schlüssen als die Reformatoren. Die hauptsächlichen Lehrunterschiede sind bis heute:

  • Ablehnung der Kindertaufe: Die Taufe wird als Zeichen des persönlichen Glaubens gesehen. Da nur mündige Personen zu einem Bekenntnis des eigenen Glaubens fähig sind, ist die Kindertaufe unmöglich. Damit ist auch klar, dass die Täufer nur eine Freiwilligkeitskirche sein können.
  • Trennung von Kirche und Staat: Seit dem 4. Jahrhundert bis heute besteht eine mehr oder weniger enge Verzahnung von Kirchen und Staaten. Für die Täufer haben Kirche und Staat jedoch nichts miteinander zu tun, sie fordern deshalb die strikte Trennung.
  • Ablehnung von Eid und Militärdienst: Beides wird begründet mit der Bergpredigt Jesu. Das Wort eines Christen soll auch ohne Eid wahrhaftig sein. Gewalt in jeder Form wird abgelehnt. Darüber hinaus setzen sich die Täufer auch aktiv für den Frieden ein.

Heute sind die Täufer in verschiedene Gruppen gespalten, die jedoch meist gute Kontakte pflegen. Die wichtigste Gruppe sind die Mennoniten (Alttäufer). Sie nennen sich nach Menno Simons, einem ihrer Anführer im 16. Jahrhundert. Von ihren rund 1,6 Millionen Mitgliedern weltweit leben rund 50 000 in Europa, davon etwa 1600 in der Schweiz. Dazu kommen die Evangelischen Täufergemeinden mit knapp 10 000 Mitgliedern.

Wichtige Abspaltungen sind die Amischen, die sich um 1700 um den Berner Oberländer Jakob Ammann scharten, sowie die Hutterer, die sich auf Jakob Hutter im 16. Jahrhundert in Mähren beziehen. Beide Gruppen leben heute vor allem in den USA und pflegen eine gemeinschaftliche Lebensweise. Die Baptisten vertreten ähnliche Lehren wie die Täufer, haben aber andere Wurzeln.