Gesamtkirchgemeinde Bern: gute Finanzlage, aber Zukunftslasten bei den Liegenschaften

"Die Finanzlage hat sich verbessert." So kommentiert Bruno Banholzer die finanzielle Entwicklung der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern (GKG Bern) zwischen 2000 und 2010. Banholzer leitet hier das Finanz- und Rechnungswesen. Aus den Schulden von CHF 5 Mio im Jahr 2000 ist 2010 eine erfreuliche Null geworden. Gleichzeitig hat sich das Eigenkapital von CHF 11.2 Mio auf 20.6 Mio erhöht, womit die "Faustregel" der Exekutive der Gesamtkirchgemeinde mehr als erfüllt ist: Das Eigenkapital sollte mindestens so hoch sein wie das Jahrestotal der Löhne.

Damit bleibt die GKG Bern innerhalb des Finanzausgleichs der Landeskirche ein wichtiger Geber. Doch ist die ganze Aufwandseite zu bedenken: Der Personalaufwand hat sich um 11.9 Prozent erhöht, nämlich von CHF 10.1 Mio auf 11.3 Mio, die Zahl der Lohnausweise von 548 auf 567. Der Aufwandüberschuss kletterte leider mit, nämlich von CHF 0.557 Mio auf 2.43 Mio.

Noch stärker als die Zahlen hat sich die Aussagekraft der Rechnungen erhöht, die GKG hat aus einem stillen Stapel sprechende Zahlen gemacht. Die Vision des Finanzverantwortlichen ist anspruchsvoll: Er möchte mit einer Vollkostenrechnung belegen können, was die einzelnen "Produkte" der kirchlichen Tätigkeit, etwa der Sozialeinsatz, im Detail kosten. Das könnte etwa für die Legitimierung der Besteuerung juristischer Personen ganz nützlich sein, es vor allem aber auch erlauben, Schwergewichte zu erkennen oder neu zu setzen.

Steuern – was geschieht bei den Grossen?

Im Laufe der Dekade stiegen die Steuereinnahmen um 16.5 Prozent, von CHF 24.1 auf 28.1 Mio. Die GKG weist im Budget  den natürlichen Personen jeweils 80 Prozent zu. Hier wurde 2010 CHF 19.7 Mio veranschlagt. Erreicht wurde  genau diese Höhe. "Eine Punktlandung also", lacht Banholzer. Die GKG kann die Auswirkungen des Mitgliederschwundes einigermassen genau abschätzen und weiss auch, dass Menschen in finanzieller Not oft bei der Kirchensteuer "sparen" und deshalb austreten.

Trotz Mitgliederschwund sind die Steuereinnahmen der natürlichen Personen gestiegen, eine Folge höherer Einkommen, aber auch der Teuerung. Der Landesindex der Konsumentenpreise war in der Dekade immerhin von 106.4 Punkten auf 116.0 gestiegen. Mittel- bis langfristig dürfte die Veränderung des Mitgliederbestandes zu spürbaren Mindererträgen führen.  

Anders bei den juristischen Personen, deren Steuersubstrat die GKG 2010 auf CHF 4.3 Mio schätzte. Erzielt wurden jedoch CHF 6,8 Mio.! Entscheidend ist, was bei den grossen Steuerzahlern geschieht. Die Szenarien sind kaum vorauszusagen. Wer hätte gedacht, dass es im Kernkraftwerk Fukushima eine Katastrophe geben könnte, die in der Schweiz eine Energiewende auslöst, was bei den Energieversorgern zur Aufgabe des AKW‘s führen kann, was wiederum massive Rückstellungen bedingt, die den Gewinn spürbar senken, was sich bei den Kirchensteuern der GKG Bern direkt niederschlagen kann? Oder dass bei den Finanzdienstleistern in Folge der Finanzmarktkrise 2008 sich die Steuereinnahmen der GKG stark verändern können?

Teure Überkapazitäten

Bruno Banholzer stellt Bezüge her. Er weiss beispielsweise, dass es bei einer Kirchgemeinde auf jedes Mitglied 1.01 Quadratmeter kircheneigene Grundfläche trifft. Diese Zahl erhält eine gewisse Brisanz, wenn man daran denkt, dass es bei der Zahl der Kirchenangehörigen wohl auch weiterhin einen Rückgang gibt, so dass die gebauten Überkapazitäten in der Relation ansteigen. Der Werterhalt der Liegenschaften wird zu einem ernst zu nehmenden Faktor.

Im Rahmen des "Strukturdialoges in der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern" wurden die Probleme analysiert und Empfehlungen abgegeben. Das Vorstehende wird dort bestätigt: "Der Liegenschaftsbestand ist, gemessen an der aktuellen Mitgliederzahl, am ausgewiesenen Bedarf und an den zur Verfügung stehenden Finanzen, "überdimensioniert". Im Schlussbericht liest man, was die GKG an Liegenschaften besitzt, nämlich ausser 4 Gemeinschaftszentren nicht weniger als 14 Kirchen, 16 Kirchgemeindehäuser und 30 Pfarrhäuser.

Allein die Gebäude im Verwaltungsvermögen haben einen Gebäudeversicherungswert von CHF 256 Mio. Rechnet man 2.5 Prozent des Versicherungswertes rein für den laufenden Unterhalt, so bedeutet das sehr viel Geld. Allein für den laufenden Unterhalt sind rund CHF 4.5 Mio einzurechnen, dazu kommen natürlich auch Kosten für die Erneuerung. Selbstverständlich weiss man bei der GKG um diese "latenten Verpflichtungen" im Bereich der Liegenschaften und um deren Wirkung.

"Das Liegenschaftsportefeuille", heist es im erwähnten Bericht, "erweist sich als "Hypothek", welche den finanziellen Handlungsspielraum erheblich einschränkt und Mittel bindet, die unter Umständen wirkungsvoller für die Erfüllung des kirchlichen Auftrags eingesetzt werden könnten." Womit die Frage aufgeworfen ist, wie der Liegenschaftenaufwand und der kirchliche Auftrag zusammenhängen könnten. GKG und Kirchgemeinden jedenfalls, heisst es im Bericht, werden so oder so mittel- und langfristig "nicht darum herumkommen, den Gürtel enger zu schnallen". Vielleicht werden aus den zwölf zusammenwirkenden Kirchgemeinden der GKG einzelne zusammengefasst?

Ronald Roggen und Bruno Bahnholzer

Kirche Bern-Frieden.
Kirche Bern-Frieden.

Download