Ökumene auf mittlerer Ebene

Ökumene findet auf mehreren Ebenen statt. Das wichtigste ist das, was sich in den Kirchgemeinden unseres Kirchengebiets abspielt: gemeinsame Gottesdienste, gemeinsam verantwortete "Brot-für-alle/Fas­tenopfer"-Aktionen, gemeinsam durchgeführte Suppentage, gemeinsame Bildungsangebote. Diese vielfältigen Aktivitäten gehören mittlerweile zum courant normal, niemand bestreitet sie mehr, im Gegenteil, ungewöhnlich wirkt eher, wenn sie irgendwo nicht möglich sind. Diese Art der Ökumene ist sehr ermutigend und straft alles Reden von "ökumenischer Eiszeit" Lügen. Wenn manche heute das Gefühl haben, es tue sich in Sachen Ökumene nicht mehr so viel wie vor dreissig, vierzig Jahren, dann hat das viel mit dieser Normalisierung der alltäglichen Beziehungen zu tun. Ökumene ist eben nicht mehr Sensation, sondern das Gewöhnliche.

Neben der Ökumene in den Gemeinden, die man die "Ökumene des Lebens" nennen könnte, gibt es auf hoher Ebene die "Ökumene des Denkens": Dialoge über theologische Fragen, ökumenische Vereinbarungen zwischen Kirchenleitungen auf nationalem, kontinentalem und globalem Niveau. Auch diese Art der Ökumene ist nötig und darf nicht gegen die "Ökumene des Lebens" ausgespielt werden. An dieser Ökumene ist aber unsere Kirche nur am Rande beteiligt, Dialoge werden für die Schweizer Reformierten vom Schweizerischen Reformierten Kirchenbund geführt; die Kantonalkirche werden jeweils vor Vereinbarungen konsultiert.

Seit einigen Jahren gibt es noch ein weiteres ökumenisches Gefäss, das auf eine mittlere Ebene gehört. Seit 2006 treffen sich die Departements- und Bereichsleitung Theologie zweimal jährlich mit der Leitung des Bischofsvikariats St. Verena zu einem Austausch über aktuelle und anstehende Fragen. Es werden keine Beschlüsse gefasst und keine Verträge abgeschlossen, trotzdem sind diese Treffen sehr wichtig. Das Klima ist immer freundschaftlich, das gemeinsame Mittagessen am Ende eines gemeinsamen Morgens gehört fest zum Programm.

Zeitlicher Ausgangspunkt für die Einführung dieser mittleren Ebene war die Gründung von drei Bistumsvikariaten im Bistum Solothurn. War vorher der Regionaldekan von Bern katholischer Ansprechpartner für die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn gewesen, so wurde es nun neu die Leitung des für Bern, den Jura und den unserem Kirchengebiet zugehörigen Teil des Kantons Solothurn zuständigen Bischofsvikariats St. Verena.

Wichtiger als diese Umstrukturierung war für die Gespräche ein inhaltlicher Grund. Man war in beiden Leitungen der Meinung, dass die "Ökumene des Lebens" für den gemeinsamen Weg zwar unverzichtbar ist und dass wir auch auf die "Ökumene des Denkens" angewiesen sind - dass sich aber trotzdem beide Seiten auch regional über die theologischen Hintergründe der eigenen Entscheidungen vor Ort verständigen sollten. Man begreift die andere Seite immer wesentlich besser, wenn man sich darüber klar wird, welches ihre Beweggründe sind. Die Gespräche auf dieser mittleren Ebene haben deshalb stets einen theologisch-pastoralen Hintergrund. Sie spielen sich eher im Stillen ab, wirken aber umso nachhaltiger.

Matthias Zeindler

Hinweis

Weiterführende Informationen zu diesem Thema enthält das Buch Datenerhebung.