Regierungsrat Christoph Neuhaus über die grosse Kirchengesetzrevision

Die Kirchengesetzrevision per 1.1.2012 – welches waren die Motive dieser grossen Revision?

Regierungsrat Neuhaus: Für  die Änderung dieses Gesetzes gab es vor allem zwei Beweggründe. Erstens führte die Entwicklung der Personalgesetzgebung zu Veränderungen bei den Anstellungsbedingungen. Diese waren mit der Anstellung auf eine feste Amtsdauer immer weniger verträglich. Auch viele Pfarrerinnen und Pfarrer wollen heute die flexibleren Möglichkeiten bei der Anstellung - wie beispielsweise Änderungen des Beschäftigungsgrades - nutzen. Zudem waren die Rahmenbedingungen für die Wahl und Wiederwahl von Pfarrpersonen längst nicht mehr so, wie sich der Souverän eine völlig unabhängige Entscheidfindung vorstellte. Dieser erhielt beispielsweise im Wahlverfahren wegen des Persönlichkeitsschutzes keinen Überblick mehr über die eingegangenen Bewerbungen. Zudem musste nach einer Nicht-Wiederwahl das arbeitsrechtliche Verschulden einer bzw. eines "Abgewählten" untersucht werden, was für die Kirchgemeinde zu Entschädigungszahlungen führen konnte. Zweitens braucht es auch im Kirchenwesen eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. Deshalb wurden die Zuständigkeit der kirchlichen Oberbehörde deutlicher betont oder die Dienstwohnungspflicht präzisiert.

Inwiefern hat die 2011 abgeschlossene Kirchengesetzrevision einen echten Fortschritt gebracht?

Regierungsrat Neuhaus:Das Ganze ist erst seit anfangs 2012 rechtskräftig. Für eine abschliessende Würdigung ist es noch zu früh. Bereits jetzt zeichnet es sich jedoch ab, dass die Entschlackung des Anstellungsverfahrens oder die Vereinfachung bei Änderung des Beschäftigungsgrades für alle Beteiligten eine administrative Erleichterung bedeutet.

Gibt es Bestrebungen, für den Kirchenbereich geltende Regelungen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, d.h. sie über die Konfessionen hinweg gleich zu gestalten oder sie mit jenen anderer Kantone zu harmonisieren?

Regierungsrat Neuhaus: Die kantonale Gesetzgebung gilt für alle Landeskirchen gleichermassen. Einzig die Kirchenartikel im Kirchengesetz und einzelne Verordnungen sind  konfessionsspezifisch ausgearbeitet – und da die Kantone sich kirchengeschichtlich ganz unterschiedlich entwickelt haben, braucht es vor diesem Hintergrund keine Harmonisierung.

Die Rolle des Pfarrers/der Pfarrerin ist in Bewegung geraten. Ist das neue Kirchengesetz auf längere Zeit hinaus eine tragfähige Grundlage dafür? Oder zeichnet sich mit dem beschleunigten Wandel in der Gesellschaft auch ein rascherer Revisionszyklus ab?

Regierungsrat Neuhaus: Die Veränderung der Gesetzgebung ist immer auch eine Folge der gesellschaftlichen Veränderungen. Dies war bei der letzten Revision besonders ausgeprägt. Mit einem rascheren Revisionszyklus sollte man vorsichtig sein. Mitarbeitende brauchen auch Stabilität. Zudem ist die Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer eine betont innerkirchliche Fragestellung.

Ronald Roggen