Kirchgemeinde Eggiwil 2003

Eine Winternacht im Eggiwil

In Erinnerung an Ueli Galli, den Eggiwiler Bauernführer und Rebellen aus dem 17. Jahrhundert, spannten 228 Freiwillige zu einem gewaltigen Projekt zusammen. Nach zweijähriger Vorbereitungszeit wurde das Stationentheater "Eine Winternacht in Eggiwil" am 15. Januar 2003 mit überwältigendem Erfolg uraufgeführt.

Das Oberemmental gehört zu den wirtschaftsschwächsten Landschaften der Schweiz. Als Gebiet mit überdurchschnittlich hohem Anteil an Beschäftigten in der Landwirtschaft ist es entsprechend stark vom Strukturwandel betroffen, samt dem, was damit an sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Folgen verbunden ist. Wo Kirchgemeinde lebt, muss sie sich mit solchen oder ähnlichen Entwicklungen auseinandersetzen, einmischen; aktiv im Sinne von ermutigend und identitätsstärkend. Ein Unternehmen in diese Richtung führte Eggiwil 1975 mit der Einweihung des grossen Dorfschulhauses durch. Seither war nichts Vergleichbares mehr geschehen. Bis 2002/03.

Prima vista sind die Eigenheiten des Emmentalers in solchen Entwicklungen eher hinderlich. Das Gäng-wie-Gäng-Schema hält sich hartnäckig. In seiner Natur hat er einen Hang ins Melancholische und ist darin alles andere als der Typ, der rasch mal Feuer-und-Flamme ist. Vielmehr – und das gehört zu den lebensfreundlichen Qualitäten – ist er eher bedächtig-überlegt, was in einer schnellebigen Zeit scheinbar nicht immer von Vorteil ist. Bis er einen Entscheid fasst, braucht es viel Zeit. Wenn er aber entschieden hat, dann hält er fest, was er angepackt hat und lässt erst wieder los, wenn gemacht ist, was gemacht werden sollte. Nicht unähnlich beschreibt bereits Jeremias Gotthelf die Eigenheiten der emmentalischen Bevölkerung.

Konkret: wenn über ein halbes Jahr lang intensiver Arbeit von 228 Freiwilligen sich nicht eine einzige Person verabschiedet, bei winterlichen Verhältnissen (Durchschnittstemperatur minus 12 Grad) drei Wochen in je über 225 Spieleinsätzen dabei ist, dann mag diese Leistung exakt mit dem oben angedeuteten Charakter im Zusammenhang stehen.

Die Idee, überhaupt etwas mit der Bevölkerung zu wagen, kam dem Schreibenden durch das Buch des Liedermachers, Spielerfinders und Schriftstellers Urs Hostettler: Der Rebell vom Eggiwil. Besagter Rebell, Ueli Galli, steht zwar im Schatten des Bauernführers Niklaus Leuenberger von Rüderswil, gilt jedoch als der eigentliche Ursächer des Aufstandes von 1653. Mithilfe des Künstlerteams Fata Morgana um Urs Hostettler ging es darum, etwas Besonderes aus der Bevölkerung für die Bevölkerung zu machen, und zwar zu angemessenen Preisen. Gleichzeitig sollte das Unternehmen Land und Leute für die eigene Geschichte sensibilisieren.

Dass dies gelungen ist, lässt sich an der nachhaltigen Wirkung des Stationentheaters ablesen. Eine Auswahl:  

  • Präzis am 15.Jänner 2004, also auf den Tag genau ein Jahr nach dem Start des Stationentheaters trafen sich die Aktiven im ehemaligen Bauernlager – wiederum bei ordli Schnee und Kälte – zu einer kleinen Erinnerungsfeier.
  • Mit dem erwirtschafteten Batzen von rund 35'000 Franken wurde ein Ueli-Galli-Rundweg auf dem Minigolfplatz Heidbühl eingerichtet und mit einem speziellen Festakt im Mai 2005 eingeweiht.
  • Das damals zusammen Erlebte ist heute noch Thema in der Bevölkerung (wiisch no?).
  • Aus den Theaterarbeiten heraus haben sich nachhaltige Freundschaften ergeben, gleichzeitig wurden hartnäckige Vorurteile abgebaut. So zum Beispiel der Gewerbler, der gemerkt hat, dass auch Künstler hart arbeiten. Vorher leistete für ihn nur etwas, wer mit den Händen werkte.

Für die Kirchgemeinde lautet das Fazit: wenn ihre Leute sich vor Ort einsetzen, dürfen sie immer noch mit erfreulich viel Wohlwollen und Vertrauen rechnen. Volkskirche kann mit "dem Volk" auf ermutigende und gemeinschaftsfördernde Weise unterwegs sein.

Marc Lauper

Kirche Eggiwil
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